Darum wird's gehen:
2. „Zeitlicher Aufwand“ und „Einkommen“ entscheidend für Krankenversicherung 2.1 Unterscheidung zwischen Neben- und Haupterwerb
Gibt es eine generelle Krankenversicherungspflicht für den Nebenerwerb?
Eine generelle Krankenversicherungspflicht für jede Nebentätigkeit besteht nicht. Dies ist unabhängig davon, ob die Tätigkeit in Form einer nebenberuflichen Selbstständigkeit mittels Nebengewerbe, als Freiberufler oder als bloßer Nebenjob ausgeübt wird. Ob eine extra Krankenversicherung abgeschlossen werden muss, hängt maßgeblich von den Faktoren „Einkommen“ und „Zeitaufwand“ in Bezug auf den Nebenerwerb ab.
Nachfolgend soll es genau um diese Abgrenzung gehen. Je nach Zusammensetzung werden nicht nur Beiträge zur Krankenversicherung, sondern unter Umständen auch für eine (zusätzliche) Rentenversicherung verpflichtend.
Handelt es sich in der jeweils persönlichen Situation um einen Grenzfall zwischen Neben- und Haupterwerb, sollte immer eine Rücksprache mit der Krankenversicherung selbst erfolgen. Nur so können ausbleibende Leistungen bei möglicherweise doch erforderlichen Versicherungsbeiträgen vermieden werden.
„Zeitlicher Aufwand“ und „Einkommen“ entscheidend für Krankenversicherung
Solange aus dem Nebengewerbe auch wirklich ein Gewerbe nebenbei bleibt, besteht grundsätzliche keine Pflicht zu einer zusätzlichen Krankenversicherung. Änderungen entstehen erst, sobald aus dem Nebengewerbe nach Definition ein Hauptgewerbe wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn durch den Umfang der nebenberuflichen Tätigkeit die Einnahmen (Einkommen) oder der Aufwand (Zeit) eine gewisse Schwelle überschreitet.
Unterscheidung zwischen Neben- und Haupterwerb
Zeitaufwand im Nebenerwerb
Stundenanzahl
Sobald sich der Nebenerwerb zu einem Haupterwerb entwickelt, erfolgen Änderungen in Bezug auf die erforderliche Krankenversicherung. Ein Haupterwerb ist immer dann anzusehen, sobald
ein Gewerbe bzw. ein freier Beruf maximal 20 Stunden pro Woche in Anspruch nimmt und das Einkommen aus diesem Nebenerwerb über 75 % der monatlichen Bezugsgröße↗ umfasst oder
mehr als 20 aber weniger als 30 Stunden im Nebenerwerb zustande kommen und mehr als die Hälfte der monatlichen Bezugsgröße erzielt wird oder
mehr als 30 Stunden pro Woche im Nebenerwerb gearbeitet wird und mehr als 50 % des Einkommens hierdurch erzielt wird.
In diesen Fällen ist grundsätzlich von einem Haupterwerb auszugehen.
Darüber gilt die sogenannte Vermutungsregel zur Abgrenzung des Zeitaufwands:
Für Freiberufler und Gewerbetreibende, die mindestens 20 Stunden pro Woche für die Tätigkeit im Angestelltenverhältnis (= Hauptjob) aufwenden und die Einkünfte hierdurch mindestens 50 % der monatlichen Bezugsgröße entsprechen gilt:
Eine hauptberufliche Selbstständigkeit wird ausgeschlossen unter der Annahme, dass hierfür einfach keine Zeit mehr bleibt.
Umgekehrt gilt für diese Personengruppen, welche weniger als 18 Stunden pro Woche für die Tätigkeit als Angestellter aufwenden und dennoch über 50 % der monatlichen Bezugsgröße hierdurch einnehmen, dass es sich bei der zusätzlichen Tätigkeit um eine hauptberufliche Selbstständigkeit handeln kann.
Bei all den aufgeführten Merkmalen zu dem Zeitaufwand handelt es sich allerdings nur um Regeln, die in Grenzfällen einer ganzheitlichen Betrachtung und Einzelbewertung bedürfen.
Höhe der Einnahmen im Nebenerwerb
Sobald durch den Nebenerwerb mehr Einkommen erzielt wird als durch andere Einkommensquellen (z.B. Beruf als Angestellter), gilt diese Tätigkeit als Haupterwerb und eben nicht mehr als Nebenerwerb.
Ausnahme Arbeitslosigkeit:
Sofern zum Zeitpunkt der Ausübung eines Nebenerwerbs noch Arbeitslosengeld I oder II bezogen wird, verringert sich die Anzahl an zulässigen Arbeitsstunden pro Woche im Nebenerwerb auf 15 Stunden. Bei Überschreitung gilt die Versicherungspflicht und es muss sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder privat versichert werden.
Konsequenz aus Neben- und Haupterwerb
Schätzt die Krankenversicherung deine Tätigkeit weiterhin als nebenberuflich ein, bleibst du über deinen Arbeitgeber aus dem Angestelltenverhältnis in der Kranken- und Pflegeversicherung versichert. Wird allerdings die (zuvor zusätzliche) nebenberufliche Tätigkeit als hauptberuflich eingestuft, fällt die Kranken- und Pflegeversicherung über den Arbeitgeber weg.
Das liegt daran, dass in diesem Fall das parallel existierende Angestelltenverhältnis (= vorher noch Hauptjob) dann als Nebenerwerb eingestuft wird. Die Rollen von Neben- und Haupterwerb drehen sich also um. In der Folge endet die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse. Nun besteht jedoch die Möglichkeit, sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder privat zu versichern.
Die Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist allerdings nur möglich, wenn zuvor mindestens 12 Monate ununterbrochen oder in den vergangenen fünf Jahren für mindestens 24 Monate bereits eine gesetzliche Krankenversicherung bestanden hat. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, muss eine private Krankenversicherung abgeschlossen werden.
Wichtig: Es handelt sich um einen vielfach verbreiteten Irrglauben, dass die Pflicht zum Abschluss einer Krankenversicherung bei Eintritt in die Selbstständigkeit vollständig entfällt. Alleine die Pflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung entfällt und wird somit freiwillig. Die Krankenversicherungspflicht bleibt in Deutschland, egal ob Angestellter oder Selbstständiger, erhalten.
Sonderfall: Nebenerwerb für Beamte
Für die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenerwerb ergeben sich keine grundlegenden Änderungen für Beamten. Wichtig sind hier jedoch andere Aspekte. Es gilt insbesondere das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Neben einer grundsätzlichen Anzeigepflicht für nahezu jede Nebentätigkeit ergeben sich folgende weitere Einschränkungen:
Beamten dürfen im Nebenerwerb maximal 1/5 der regelmäßigen Wochenarbeitszeit des Hauptamts erreichen. Sobald die nebenberufliche Tätigkeit diese Arbeitszeit überschreitet, liegt ein Versagungsgrund vor.
Darüber hinaus dürfen Beamte im Nebenerwerb maximal 40 % des jährlichen Endgrundgehaltes zusätzlich verdienen. Bei Überschreitung dieser Verdienstgrenze liegt ein Versagungsgrund vor. In Einzelfällen kann eine Ausnahme erfolgen, sofern keine dienstlichen Interessen durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt sind.
Diese Regelungen ergeben sich aus dem Bundesgesetz für Beamte (BeamtStG). Vereinzelnd wurden durch die Bundesländer jedoch in den spezifischen Landesgesetzen die einige Einschränkungen gelockert oder sogar noch weiter verschärft.
Die Folge:
Durch die drastischen Einschränkungen im Beamtenrecht ist es gar nicht erst möglich, nebenberuflich „aus Versehen“ doch ein Hauptgewerbe zu betreiben.
Zwar ist in einem „normalen“ Angestelltenverhältnis (= Nicht-Beamte) auch nur eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) gestattet, jedoch kann hier durch Inanspruchnahme eines Teilzeit-Hauptjobs die Stundenanzahl der nebenberuflichen Tätigkeit drastisch erhöht werden. Üben Beamte hingegen nur einen Teilzeit-Hauptjob mit angenommenen 20 Stunden pro Woche aus, so darf die Nebentätigkeit nur 4 Stunden (= 1/5) wöchentlich umfassen.
Auch hinsichtliche der Verdienstgrenze von 40 % des Endgrundgehaltes ist es kaum möglich, mit unter 20 wöchentlichen Arbeitsstunden (Kriterium Zeit) noch über 75 % der monatlichen Bezugsgröße (Kriterium Einnahmen) zu erreichen.
Letztlich bleibt als Beamter nur die Möglichkeit einer nebenberuflichen Selbstständigkeit als Nebenerwerb. Zu Änderungen in der Krankenversicherung kommt es damit nicht.
Fallbeispiele
Hauptberuflich selbstständig und nebenberuflich angestellt | Wie versichern?
Bist du hauptberuflich selbstständig tätig und nur nebenberuflich angestellt, hast du die Wahl zwischen keiner, gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Die Abwägung sollte immer im Einzelfall unter Bezugnahme des Einkommens und der resultierenden Beitragshöhe erfolgen.
Ein Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung ist generell möglich. Zu beachten ist jedoch, dass oftmals ab einem bestimmten Alter (~55) ein Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung durch diese abgelehnt werden könnte. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn noch ein Haupterwerb als Selbstständiger vorliegt und noch nie Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung geleistet worden sind.
Krankenversicherung für hauptberuflich Angestellte mit selbstständigen Nebenerwerb | Freiwillig privat versichern?
Ist man hauptberuflich angestellt und betreibt eine selbstständige Tätigkeit als Gewerbetreibender oder Freiberufler nur als Nebenerwerb, verändert sich grundsätzlich nichts an der gesetzlichen Krankenversicherung. Je nach Höhe der Gesamteinkünfte kann allerdings die Möglichkeit bestehen, sich freiwillig privat zu versichern. Für das Jahr 2023 lag die Höhe des regelmäßigen monatlichen (!) Bruttoeinkommens hierzu 5.550,00 Euro. Bei monatlicher Überschreitung dieser Einkommensgrenze für ein Jahr, ist eine freiwillig Inanspruchnahme einer privaten Krankenversicherung möglich.
Kann ich mich als privat versichert Beschäftigter wieder zurück in der gesetzlichen Krankenversicherung versichern lassen?
Bei einmaligem (freiwilligen) Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung aufgrund der Überschreitung der Einkommensgrenze von 5.550,00 Euro Brutto pro Monat, ist eine Rückkehr ohne Weiteres nicht möglich. Nur, wenn diese Einkommensgrenze dauerhaft unterschritten wird, kann ein Wechsel zurück von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung erfolgen.
Mitversichern in der Familienversicherung bei Nebengewerbe oder Nebenjob möglich?
Sobald ein Haupterwerb vorliegt, ist die Mitversicherung in der Familienversicherung nicht mehr möglich. Sofern eine selbstständige Tätigkeit in Form eines Nebengewerbes, einer nebenberuflichen freiberuflichen Tätigkeit oder eines sonstigen Nebenerwerbs vorliegt, dessen regelmäßigen monatlichen Einkünfte bei unter 505 Euro (Stand: 2024) liegen, ist das Versichern über die Familienversicherung grundsätzlich möglich. Gleiches gilt für die Ausübung eines Minijobs (≠ selbstständig) bis zu einem regelmäßigen monatlichen Einkommen von bis zu 556 Euro (Stand 2025).
Krankenversicherung als Student mit selbstständiger Nebentätigkeit?
Im Fall der Ausübung einer nebenberuflichen Selbstständigkeit als Student gelten die Regelungen zur Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenerwerb. Eine gewerbliche Tätigkeit bis zu 20 Stunden pro Woche ist ohne zusätzliche Krankenversicherungsbeiträge möglich, sofern das regelmäßige Einkommen nicht 75 % der Bezugsgröße (vgl. hier) überschreitet.
Krankenversicherung als Kleingewerbetreibender und als Kleinunternehmer erforderlich?
Obwohl die Begriffe Kleingewerbe (Umfang/Einnahmen des Betriebs) und Kleinunternehmer (Kleinunternehmerregelung) nicht synonym verwendet werden können, so gilt für beide Begriffe hinsichtlich der Krankenversicherung dasselbe. Entscheidend ist auch hier die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenerwerb.
Für alle Existenzgründer im Nebengewerbe oder sonstiger selbstständig ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit kann wie folgt über die Erforderlichkeit der Krankenversicherung abgegrenzt werden:
In dem Fall, wenn kein weiteres Arbeitsverhältnis und somit auch keine sonstigen Einkünfte vorhanden sind, gilt hier die Grenze von unter 505 Euro monatlichen Einkünften durch die selbstständige Tätigkeit. Bei Überschreitung dieser Grenze fallen zusätzliche Beiträge für eine Krankenversicherung an.
Besteht hingegen ein zusätzliches (Haupt-)Arbeitsverhältnis ohne sonstige Einkünfte, ist auch die Überschreitung der 505-Euro-Grenze ohne die Erfordernis einer zusätzlichen Krankenversicherung möglich. Diese besteht durch das weitere Arbeitsverhältnis ja ohnehin bereits. Wichtig hier sind wiederum die Grenzen zwischen Haupt- und Nebenerwerb.
Muss ich zusätzliche Beiträge für die Krankenversicherung bezahlen, wenn ich beim Gewerbeamt ein Gewerbe anmelde?
Die Gewerbeanmeldung an sich ist unabhängig von den Pflichten, die durch die Krankenversicherung auferlegt werden. Bei bloßer Anmeldung eines Gewerbes entsteht noch keine Pflicht für zusätzliche Beiträge oder gar einen Abschluss in der Krankenversicherung. Entscheidend ist, wie und in welchem Umfang die Tätigkeit zum Zeitpunkt der Ausübung erfolgt. Hier gelten die Grenzen Zeit und Einnahmen erneut zur Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenerwerb.
Ich bin bereits privat versichert. Was ändert sich durch meinen Nebenerwerb?
In der privaten Krankenversicherung bestimmt sich die Beitragshöhe meist nach der Art des Berufs (Belastung, Gefährlichkeit etc.) sowie nach der krankheitlichen Vorbelastung des Versicherten. Bei Ausübung eines Nebenerwerbs sollte abgeklärt werden, ob die dabei ausgeführte Tätigkeit unter Umständen eine andere Gefahrenklasse mit sich trägt. In diesem Fall würde der Beitragssatz der bestehenden privaten Krankenversicherung wahrscheinlich nach oben angepasst werden müssen. Andernfalls könnte der erforderliche Versicherungsschutz in Bezug auf den Nebenerwerb wegfallen.
Muss ich als Selbstständiger in die Rentenversicherung einzahlen?
Für Selbstständige, sei es als Gewerbetreibender oder Freiberufler, besteht zunächst einmal keine generelle Rentenversicherungspflicht. Allerdings gilt für einige selbstständige Tätigkeiten wiederum doch eine solche gesetzliche Pflicht. Die betroffenen Berufsgruppen ergeben sich aus Sozialgesetzbuch VI (SGB VI, Paragraph 2).
Doch auch hier gibt es wieder eine Ausnahme. Unabhängig von der Tätigkeit sind solche Berufsgruppe von der Rentenversicherungspflicht losgelöst, welche nur „geringfügig selbstständig beschäftigt“ sind. Es handelt sich um eine Einkommensgrenze, welche derzeit (Stand: 2025) bei 556 Euro liegt.
Überschreiten die monatlichen Einkünfte diesen Betrag nicht, ist eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht auch für die im Sozialgesetzbuch VI (SGB VI, Paragraph 2) benannten Berufsgruppen möglich.
Fazit: Wann ist die Krankenversicherung erforderlich?
In den meisten Fällen ändert sich durch die Ausübung eines Nebenerwerb nichts an der Erforderlichkeit sowie den Beiträgen der eigenen Krankenversicherung. Zu beachten sind dabei immer die Grenzen zwischen Nebenerwerb und Haupterwerb. Handelt es sich bei einer selbstständigen Tätigkeit um einen Haupterwerb, so sollte immer Rücksprache mit der Krankenversicherung gehalten werden.
Grundsätzlich besteht in Deutschland die Pflicht zum Abschluss einer Krankenversicherung. Als hauptberuflich Selbstständiger wirst du dich freiwillig gesetzlich (bei Vorliegen der Voraussetzungen) oder privat versichern müssen.
Du machst dir schon Gedanken über die Krankenversicherung? Du bist Gewerbetreibender oder möchtest noch ein Gewerbe anmelden? Oder du bist dir unsicher, ob du überhaupt ein Gewerbe anmelden musst?
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